Freitag, 2. Dezember 2011

Gedanken, Krisen, Ausblicke

Schwierige Zeiten haben mich die letzten Monate begleitet. In der Umsetzung meiner Kunst stoße ich immer wieder an Grenzen, Mauern, die bei der Ideenentwicklung oder bei der Realisierung solcher behindern. Damit zweifele ich immer wieder daran, ob überhaupt meine Fähigkeiten ausreichen, ob vielleicht doch der eingeschlagene Weg wirklich Irrsinn ist, schlicht nicht genug Talent vorhanden ist und alles andere nur ein Vor-sich-hin-Träumen ist von einer unerreichbaren Zukunft. Der Drang, die Kamera einfach zu nehmen und gegen die Wand zu knallen, um sich anschließend doch einen konventionellen Lebenslauf zu suchen, meldet sich da immer mal. Aber Selbstzweifel haben mich schon immer begleitet, manchmal sind sie nur stärker als sonst. Die letzten Monate sind so eine Zeit.
Stark damit verbunden waren die letzten Lebenswochen meiner Oma, die für mich immer ein wichtiger Bezugspunkt war, eine Person, die mich und alles was ich tue immer ohne Bedingungen akzeptiert hat und stolz auf mich war, selbst wenn ich keinen Grund dafür fand. Schon einige Zeit an Demenz erkrankt, wurde es nach einem Schlaganfall und anschließenden Krankheiten seit Sommer kontinuierlich schlechter. Es blieb das Gefühl, dass dieser Mensch, der mir immer bedingungslose Unterstützung gegeben hat von der Demenz langsam immer weiter von mir und der Welt als Ganzem weggezogen wurde. Und selbst konnte man nur hilflos zusehen, wie ein Leben sich langsam auflöst.
Vor ein paar Wochen war es dann soweit Abschied zu nehmen und nur mühselig kämpfte sich das Gefühl durch die eigenen Schutzmechanismen nach oben, wie viel man selbst verloren hat durch dieses Lebensende. Und Worte bleiben ungenügend, es klar zu formulieren, es bleibt ungesagt und durchfließt alle Adern des Körpers, wie ein schleichendes Gift. Gleichzeitig hält der Alltag aber nicht an, das Leben rauscht weiter und ich hatte den Eindruck, in diesem Rausch zu ertrinken, nicht mehr zu wissen, ob es noch Sinn macht, für seinen eigenen Weg zu kämpfen oder ich mich auch einfach mit treiben lassen kann im Fluss der Existenzen, bis auch mich das Unausweichliche begrüßt.


Doch besonders in der Phase des Abschied Nehmens und danach schien meine Kreativität sich neue Bahnen zu suchen, ausgeprägter, präsenter als je zuvor zu werden. Tendenzen, die sich schon in meinen Arbeiten der letzten Monate andeuteten, wurden mir immer klarer und in der Folge davon auch, was ich eigentlich wirklich kreieren will. Immer bewusster lief ein Prozess an, die (gedachten) Erwartungen anderer Leute an die eigenen Arbeiten in Frage zu stellen und sich von diesen zu verabschieden. Stattdessen blicke ich immer tiefer in mich und bringe hervor, was wirklich ich selbst umsetzen will. Das klassisch Schöne als Hauptziel in der Portraitphotographie interessiert mich immer weniger, vielmehr bin ich an persönlichen Aufnahmen interessiert, die sowohl roh und direkt als auch sanft und schüchtern sein können, aber abseits einer stilisierten Schönheit viel mehr Wahrheit mit sich bringen können.
Auch konzeptionellere Projekte spuken schon länger in meinem Kopf herum und nehmen immer konkretere Formen an, manchmal blieb das Gefühl, dass mein Kopf kurz vorm platzen steht, wenn ich nicht bald ein paar Ideen auch da raus in die Realität bringen kann.
Darin kulminierend, dass mich der Alltag zu erdrücken drohte habe ich mir letzte Woche für ein verlängertes Wochenende eine Auszeit genommen und mich nach Berlin bewegt. Dort habe ich meine Zeit hauptsächlich draußen auf den Straßen verbracht, immer mit der Kamera in der Hand, immer auf der Suche nach Momenten und Beiträgen zu meinen Projekten. Nur die späten Abende habe ich, mit Notizbuch in der Hand, dazu genutzt, meine gesamte Herangehensweise an das Kreieren meiner Bilder in Frage zu stellen und wirklich zu prüfen, welche Teile meiner Arbeitsweise ich für gut befinde und welche ich für überarbeitungswürdig halte. Viele gute Haare habe ich nicht daran gelassen, so viel sei gesagt. Was sich ändern soll, habe ich dann tagsüber mit der Kamera in der Hand auch gleich versucht, umzusetzen.


Natürlich ist es kein Prozess, der schlagartig abzuschließen ist, aber das Gefühl, auf dem richtigen Weg zu sein, zog sich durch die Zeit durch. Am letzten Tag in der Hauptstadt hatte ich dann auch noch die Gelegenheit zu einem spontane Portraitshooting, bei dem mir meine beiden Modelle viele Freiheiten gegeben haben, an meinen neuen Ansätzen zu arbeiten. Und mit dem mir entgegengebrachten Vertrauen entstanden dabei Arbeiten, die für mich gut als Aushängeschild dienen können, was ich derzeit realisieren will in der Menschenphotographie und auf die ich, ganz nebenher, tatsächlich etwas stolz bin. Meinen beiden Modellen bin ich für die Zusammenarbeit sehr dankbar, allgemein bin ich dieses Jahr damit gesegnet worden, mit einigen anderen Kreativen zusammenarbeiten zu dürfen. Und gerade in diesem Miteinander entstehen für mich die besten Arbeiten, wenn alle Beteiligten sich voll auf das Projekt einlassen können.
Grundtenor dieses (teilweise etwas sprunghaften) Artikels ist, dass ich zwar mit einigen Krisen zu kämpfen habe, aber gerade dieser Kampf mit dazu beiträgt, dass ich tatsächlich dem näher komme, was ich wirklich als Künstler erschaffen will. Ich denke, es steht ein interessanter Jahresabschluss und ein aufregendes neues Jahr an, in dem ich hoffe, weiter mit so vielen interessanten Menschen zusammen arbeiten zu können, wieder mit denen, wo ich das schon getan hab, aber sicher auch ein paar neuen.
Und wenn ich eins aus dem Leben meiner Oma lernen kann, dann, dass es nicht darauf ankommt, wie schwer die Zeiten sind, sondern dass man den Kopf hochhält und schaut, was sich aus den Trümmern neues schaffen lässt.

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