Sonntag, 8. Januar 2012

Warum eigentlich analog?

Eine gute Frage. Warum hab ich eigentlich angefangen auch analog zu photographieren? Manche sagen, man photographiert bedachter. Weil man für jedes Bild bezahlen muss, nimmt man sich mehr Zeit, um darüber nachzudenken, ob man dieses Photo wirklich machen will. Außerdem wäre es durch die Beschränkung auf 36 Bilder (beim regulären Kleinbild-Film) notwendig, sich stärker zu beschränken und nicht die oft beschrienen hundert Bilder von einem einzigen Motiv zu machen. Waren das Gründe für mich, damit anzufangen? Nein. Merkt man diese Sachen beim photographieren? Ja und nein.

Durch die Beschränkung und die Kosten nehme ich auch wahr, dass ich deutlich weniger Bilder auf einer Tour mache, es ist also ein Effekt da. Heißt das zwingend, dass ich mir bei jedem Motiv mehr Zeit nehme? Nein. Besonders in der Street Photographie hab ich diesen Luxus überhaupt nicht, mir erstmal eine halbe Stunde das Motiv zu überlegen. Die Momente sind viel zu flüchtig und es muss auch schnell gehen. Wie ist es bei statischeren Motiven? Da nehme ich mir tendenziell mehr Zeit, allerdings tue ich das digital auch oft, wenn ich nicht gerade nur mit Kamera in der Hand von einem Ort zum nächsten hetze. Bei diesen Motiven zeigen sich allerdings tatsächlich Unterschiede in meinem Photographie-Verhalten. Mit der digitalen Kamera löse ich öfter beim mich mit dem Motiv vertraut machen auch schon mal aus. Bei der analogen tue ich es meistens nur einmal am Ende.


Ist das besser? Nicht unbedingt, letztendlich ist es nur anders. In der Digitalphotographie arbeite ich mich dann am Motiv ab, nähere mich ihm und erstelle auf dem Weg öfter quasi Skizzen-Bilder. Manchmal eröffnen erst diese mir den gesuchten Blick, dadurch, dass ich bei deren Betrachtung schon genauer sehe, was ich will und damit dann auch genauer weiß, wie ich das Motiv inszenieren möchte. In der Analog-Photographie läuft dieser Prozess stärker rein im Kopf ab. Auch das schadet nicht, sich das Motiv erst einmal rein in Gedanken zu nehmen, in seine Komponente zu zerstückeln, um dann zu entscheiden, wie es im fertigen Bild zusammen kommen soll. Beide Ansätze finde ich spannend, keinen aber per se besser. Das wichtige ist das Resultat, der Weg dahin im Nachhinein unbedeutend, solange er ermöglicht hat, zu erreichen, was ich erreichen wollte.

Das spannende dieses anderen Ansatzes, auch das dabei nicht direkt kontrollieren können, ist aber schon mal ein Reiz, der mich zur Analog-Kamera hat greifen lassen. Und auch wenn ich in dieser Beschäftigung mit der nicht-digitalen Photographie viel Potential für meine Weiterentwicklung sehe, ist das analog photographieren für mich primär: Ein Abenteuer, ein Spiel. Ich fühle mich dabei losgelöster von einigen Prinzipien, die mein Arbeiten in der Digitalphotographie prägen. Auch von meiner Erfahrung mit der digitalen Seite bin ich befreit. Das klingt vielleicht erstmal nicht gut, allerdings erlaubt es mir das Ganze spielerischer anzugehen. Bei meiner Digitalkamera weiß ich recht genau, wie das Bild aussehen wird, das auf dem Monitor auftaucht. Bei Analog-Kameras, die mir neu sind zusammen mit Filmen, deren Charakter mir nur vage schon klar ist, fehlt diese Sicherheit.


Und das bringt mich dazu, öfter auch mal wieder Photos zu machen mit der simplen Motivation, herauszufinden, wie das Motiv photographiert aussehen wird. Diese Unsicherheit hat etwas Rauschhaftes. Für einen Moment gebe ich einen Teil der Kontrolle ab und gebe mich ganz dem Moment hin. Auch die Bilder zur Entwicklung abzugeben und bereits fertig von dieser zurück zu bekommen und sie dann zum ersten Mal zu sehen, hat etwas mit Kontrollverlust zu tun. Ich werde quasi vor vollendete Tatsachen gestellt, wohingegen in der Digitalphotographie die Entwicklung des Rohbilds rein in meiner Kontrolle liegt. (Vielleicht ändert sich der Punkt mal, sollte ich auch selbst mit dem Entwickeln anfangen, die Zukunft wird es zeigen).

Hier ist sicher auch ein Punkt, in dem ich viel für meine Photographie allgemein lernen kann/werde. Während ich mich allgemein schon gerne mit den Lichtverhältnissen und den Unterschieden zwischen den hellen und dunklen Bereichen beschäftige und so versuche, das Licht zu verstehen, scheint es mir, als müsste ich bei der Analog-Photographie da genauer sein. Allein schon weil ich die Entwicklung nicht selbst in der Hand nehme und somit Fehler, die ich mache, relativ ungeschönt vor Augen gehalten bekomme, sobald ich die Abzüge in der Hand halte. Aber auch, weil ich (hauptsächlich) in schwarz-weiß photographiere und hier der Kontrast zwischen hell und dunkel sehr viel Gewicht hat. Zwar ist meine Digitalphotographie auch sehr schwarz-weiß-lastig, allerdings bleibt immer die Option der Farbe vorhanden und vor allem fällt die Entscheidung darüber, wie kontrastreich ich das Bild in schwarz-weiß konvertiere erst am Rechner. Beim analogen Photographieren ist sie schon zu einem guten Teil mit der Wahl des Films gefallen und dafür Lichtverhältnisse passend einzuschätzen erfordert noch etwas genaueres lernen und erforschen des Kerns der Photographie, des Lichts.


Ein zusätzlicher Grund für die Analog-Photographie ist für mich ein ankämpfen gegen meinen eigenen Perfektionismus. Alte Kameras vom Flohmarkt bringen so ihre Macken mit sich, will ich technische Perfektion, ist das bereits hier zum scheitern verurteilt. Doch auch in meiner Digitalphotographie habe ich schon einige Zeit angefangen, mich zu fragen, was eigentlich für mich Perfektion ausmacht. Die Relevanz der Technik bröckelt da immer mehr weg und das Gefühl, den Eindruck, den ein Bild vermittelt wird zum eigentlichen Gradmesser dafür, wie nah man an Perfektion heran gekommen ist. Trotzdem merke ich immer wieder bei der Selektion meiner digitalen Bilder, wie ich einzelne für kleine technische Mängel aussortiere. Mit dem öfter analog photographieren (und dem generell diese Ansichten durchdenken) komme ich aber immer häufiger dazu, vor dem Aussortieren die Frage zu stellen, ob dieser Mangel das Bild und seine Aussage eigentlich wirklich stört oder ob es seine Stärke aus anderen Kriterien zieht.

Bei diesem sich der zumindest theoretischen Möglichkeit zur technischen Perfektion Beraubens könnte man die Frage stellen: Warum analog und warum nicht das Handy? Auch das liefert mir technisch einen deutlich geringeren Standard als meine Spiegelreflex, dafür müsste ich aber nichts für die gemachten Bilder bezahlen. Die Antwort darauf ist sehr persönlich: Ich mag schlicht das Gefühl, mit diesen alten Kameras zu hantieren lieber, als mit dem Handy. Mit dem finde ich das photographieren durch fehlen eines Auslöseknopfs und eines Suchers verbunden mit der notwendigen Handhaltung reichlich unkomfortabel. Das ist bei meinen Film-Kameras anders. Da mag ich das Handling schlicht. Zusätzlich mag ich eben das abenteuerliche des nicht Wissens, ob ein Bild gelungen ist, bis ich die Abzüge bekomme. Es ist ein komischer Reiz, irgendwo zwischen geheimnisvoll, vor Neugier platzen und einem leichten Masochismus.


Ein letzter Punkt, der mich zum analog photographieren gebracht hat, ist schlicht, dass man am Ende den ganzen Film auch als Abzüge in Händen hat. Zwar lasse ich auch öfter digitale Bilder von mir printen, aber dass sind dann immer nur die absoluten Favoriten und als ganzes erzählen diese eine sehr unvollständige Geschichte. Bei den Abzügen mischen sich die gelungenen mit den mittelmäßigen und den miserablen Bildern. Gelungene Experimente und gescheiterte bleiben zusammen, die präzise gemachten Bilder werden durch die fehlerhaften ergänzt. All das zusammen erzählt mir (und denen, die mal alle Bilder zusammen zu Gesicht bekommen) die ganze Geschichte dieser Rolle Film, den Weg über misslungene hin zu vielleicht nur dem einen interessanten Bild darin. Zudem finde ich es total spannend, durch einen Stapel Photos zu stöbern und viel angenehmer als das am Rechner in chaotischen Ordnern zu tun. Und damit ich das nicht nur mit den alten Familienphotos machen kann, die bei mir so rumliegen, sondern auch mit meinen eigenen Bildern, photographiere ich jetzt auch analog. Die Digitalphotographie ersetzen wird das wohl eher nicht und vielleicht bleibt es eine Phase, die bald wieder verschwindet, aber derzeit genieße ich einfach dieses Abenteuer und schaue mal, wo es mich noch so hin führt.







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