Mittwoch, 4. Januar 2012

Die Angst vor dem nächsten Bild

Manchmal, wenn ich mir meine Bilder ansehe, überfällt mich eine gewisse Panik. Am häufigsten passiert mir das, wenn ich die Prints für mein Portfolio in der Hand habe und durchsehe. Das ist dann oft stark zusammengekürzt das (für mich) beste, was ich in den letzten Monaten produziert habe. Alles versammelt auf einem kleinen Haufen, ohne den großen Rest, der die zahlreichen Kürzungen nicht überstanden hat.

Und während ich allgemein ziemlich kritisch mit meinen Bildern (oder allgemein meinem Schaffen) umgehe, kann es passieren, dass mir gefällt, was ich da ansehe. Sogar, dass ich für einen Moment damit zufrieden bin. Und dann kriecht sie langsam heran diese Panik. Dieses seltsame Gefühl, dass man seine besten Bilder schon gemacht hat, dass der Zenit überschritten ist und man selbst leer. Dass da keine guten Bilder mehr in einem drinstecken, die man noch rausholen könnte.

Manchmal wirkt es völlig surreal, sich diese Bilder anzusehen. Gedanken rasen durch den Kopf, erzählen mir, das war alles nur Glück, Zufall oder auch ein spontan-genialer Moment, aber nichts Wiederholbares. Ich fange an zu glauben, dass ich spontan alles vergessen habe, wie ich ein vernünftiges Bild machen kann, dass ich von nun an nur noch sinnlos auf den Auslöser drücken werde um einem Moment nachzujagen, der längst vergangen ist. Und auch nie wieder zurückkehrt.

Ich zweifle an mir, an meinen Fähigkeiten, zweifle, dass überhaupt noch das geringste Fünckchen Kreativität in mir übrig geblieben ist. Und das ist dann der Punkt wo das Ringen beginnt, mit mir selbst, der Welt und meiner Photographie. Die manchmal furchteinflössende Suche nach dem nächsten Bild, dem besonderen, dem besseren, das alles übertrifft, was man schon gemacht hat, dass anderen und vor allem mir selbst beweist: Es geht doch noch weiter, das Beste liegt noch vor mir, nicht hinter mir. Es geht weiter aufwärts und nicht schon wieder abwärts.

Manchmal gelingt es, manchmal aber auch nicht. Am einen Tag begegnen mir die interessanten Momente quasi dutzendweise, an anderen scheint die ganze Welt in Belanglosigkeit versunken. Und wie ich so bin, interpretiere ich oft die erste Variante als Glück, die zweite hingegen als meinen eigenen Fehler. Auf reiner Vernunftebene bin ich mir durchaus bewusst, dass diese Auslegung Unsinn ist. Es ist immer eine Vermischung vieler Faktoren und man selbst hat bessere und schlechtere Tage. Auch in der Portrait-Photographie hat man Tage, wo es mit dem Model sofort klickt und die Ideen von beiden Seiten nur so sprudeln und andere, an denen alles etwas schwerfällig bleibt und es harte Arbeit ist, sich gute Ideen aus dem Hirn heraus zu reißen.

Es fällt mir oft schwer, mit diesen Schwankungen umzugehen. Irgendwo in mir sitzt dieser Glaube, dass man nur ein guter Photograph ist, wenn jede Phototour, jedes Event und jedes Shooting genial läuft. Und weil es bei mir nicht so ist, muss ich natürlich völlig miserabel sein. Letztendlich liegt die Wahrheit wohl irgendwo dazwischen. Ich denke, jeder Photograph hat Tage, an denen es fast wie von selbst läuft und andere, an denen man spürt, dass kreatives Schaffen doch auch viel mit harter Arbeit zu tun hat.

Oft entstehen an den Tagen, wo alles zusammenpasst, die Portraits, die später mal in meinem Portfolio landen und mich später dazu bringen, an meinem Können zu zweifeln. Manchmal wirken sie wie Ausreißer aus den restlichen Arbeiten, als wären sie viel besser, als der gesamte Rest. Vielleicht ist da auch was dran, vielleicht ist es aber auch mehr das Empfinden, wie gut man sich beim Erstellen gefühlt hat, was diesen Bildern ein positiveres Urteil einbringt. Vielleicht auch ein wenig von beidem.

Aber gerade diese Bilder sind es dann, die mich in Frage stellen lassen, ob das noch möglich ist. Kann ich das wiederholen? Doch dann frage ich mich mittlerweile auch: Will ich das überhaupt? Das Bild habe ich schon, wieso sollte ich es wiederholen, wieso noch mal machen? Stattdessen beginnt dann die Suche nach neuen Ideen, das sich immer wieder aufs Neue fragen: Was will ich umsetzen in meinen zukünftigen Bildern? Auf der einen Seite in ganz konkreter Form, die Idee eines einzelnen Bildes, das realisiert werden will und zum anderen das große Ganze: In welche Richtung soll meine Photographie grundsätzlich gehen?

Und wenn ich mir über einen längeren Zeitraum meine Bilder ansehe, die in diesem entstanden sind, fällt mir neben den (für mich) herausragenden Bildern noch etwas anderes auf: Mit der ganzen Arbeit, dem häufigen photographieren und Ideen entwickeln steigt langsam aber stetig auch das Grundniveau meiner Bilder. Sie nähern sich mehr dem an, was ich wirklich realisieren will. Immer wieder sind in besonders guten Momenten Ausreißer nach oben, oder in besonders schlechten nach unten, zu erkennen, aber alles zusammen genommen geht die Tendenz nach oben. Auch an den schwierigen Tagen wird es besser. Heute fällt es mir einfacher, auch dann etwas vernünftiges zu produzieren, mir doch noch irgendwo ein paar Ideen aus dem Hirn oder der Seele zu reißen, als dass vor einem Jahr der Fall war.

Letztendlich sind für mich diese ganzen Zweifel wohl nötig. Sie sind immer aufs Neue eine Kampfansage, die Herausforderung, zu beweisen, dass die besten Bilder noch vor und nicht hinter mir liegen. Manchmal ist es hart, manchmal auch schmerzhaft, aber niemand hat behauptet, dass diese Sache mit der Kunst einfach wird. In diesem Sinne, ich bin bereit mich der Angst vor dem nächsten Bild zu stellen und auch weiter den Auslöser zu betätigen.

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