Dem Ruf der Straße sind in der Geschichte der Photographie schon viele verfallen auf der Suche nach etwas Besonderem im Alltäglichen. Kleinen Momenten im Strom des Lebens, die man versucht, diesem zu entreißen und so zu verewigen. Auch ich bin schon quasi mit dem ersten Mal, das ich mit einer Kamera das Haus verlassen habe dem Lockruf der Straße erlegen. Anfangs nur im kleinen Rahmen ein paar Schnappschüsse, wenn mich etwas wirklich deutlich angesprungen ist, aber mit der Zeit, als ich anfing allgemein die Photographie ernster zu betreiben, hatte auch die Street Photographie mich völlig in ihrem Bann. Selbst ohne Kamera in der Hand fing ich mehr und mehr an in Gedanken Bilder zu machen und damit auch für mich das alltägliche Chaos da draußen immer bewusster zu erleben, immer wieder kleine Geschichten zu sehen, die anrühren, verwirren, zum Lachen oder weinen anregen oder nachdenklich stimmen. Für mich bedeutet dieses Genre ein Stück bewusster zu leben, die Welt um mich herum in mich aufzusaugen und gelegentlich ein Bild davon mitzunehmen, mit dem ich auch anderen von diesen kleinen Geschichten berichten kann.
Vielfach huschen wir nur von einem Ort zum nächsten, wenn wir auf den Straßen unterwegs sind, vermeiden Blickkontakt im Bus, stecken die Kopfhörer in die Ohren und lassen Musik den Lärm der Welt ertränken, schließen uns in uns ein. Doch geht damit so viel verloren, was es wert ist wahrgenommen, erlebt zu werden. Das muss nicht unbedingt mit photographieren verbunden sein, aber einfach bewusster seine Sinne der Welt um uns herum zu öffnen bereichert auch uns. Jedenfalls geht es mir so und während manche die Stille und Einsamkeit der Natur vorziehen, fühle ich mich am wohlsten in Mitten des Chaos und Lärms der Stadt, umgeben vom Leben anderer Menschen, dass ich mich für kurze Momente streifen lasse, statt davor zurückzuschrecken. Nur um es festzuhalten, damit will ich nicht etwa die Landschaftsphotographen schlecht reden, dieses Verhältnis zu Straße ist immer ein sehr persönliches, mir liegt diese Welt einfach näher. Trotzdem sehe ich mir auch gerne gute Landschaftsphotos an oder bin auch selbst mal draußen in der Natur, aber um da selbst gute Photos mitzubringen fehlt mir die Geduld, die Ruhe, die es braucht, auf die richtige Zeit zu warten. Im Lärm, Chaos und manchmal auch Gestank der Straßen der Städte hingegen finde ich das. Das innere Toben legt sich und ich werde ruhig, aufnahmebereit für das, was an Leben an mir vorbeieilt. Ich fühle mich mit dem Leben um mich verbunden auch wenn ich nicht wirklich eingreife, es fühlt sich einfach richtig an dort zu sein, das Pulsieren der Adern der Stadt zu erleben.
Es ist manchmal wie auf einem Stein in der Brandung zu stehen, es rauscht und lärmt um einen herum, doch statt zu beunruhigen oder nervös zu machen, findet man Ruhe in der Schönheit der Umgebung, man atmet tief ein und lässt sich vom Strom mitreißen, dahin leiten wo er einen haben will, um ein paar Geschichten zu offenbaren, die wir sonst übersehen. Es fällt mir schwer, die Faszination für die Street Photographie in Worte zu fassen, trotzdem versuche ich es hier. Auch das ist für mich Teil des Geschichten erzählens, was so typisch für dieses Genre ist. Es ist nur ein einziges Bild, doch gelungen lässt es im Kopf des Betrachters gleich einen Film starten, in dem er anfängt, sich auszumalen, was drumherum geschieht, was in den Menschen im Bild vorgeht, was sie bewegt. Oftmals mag das mehr Fragen als Antworten aufwerfen, denn ein einzelnes Bild kann nie etwas allumfassend erklären, aber darum geht es mir auch nicht. Es ist der Versuch, eine Verbindung aufzubauen zwischen dem, was ich sehe und empfinde und dem Betrachter meiner Bilder, einen fiktiven Dialog zu führen, in dem sich vielleicht beide wundert, was da auf dem Bild so vor sich geht und so noch mal das Erleben der Straße lebendig wird, auch für denjenigen, der nicht vor Ort dabei gewesen ist.
Die Straße selbst ist eine zwiespältige Geliebte, ähnlich wie die Landschaft fordert sie viel Geduld. An manchen Tagen ehrt sie einen mit ihren Geschenken und man bekommt reichlich Geschichten präsentiert, die es nur noch einzufangen gilt. An anderen Tagen zeigt sie sich äußerst unwillig und auch nach Stunden kehrt man ohne viel vorzeigbares nach Hause zurück. Aber wie es so ist mit der Liebe, man investiert seine Zeit reichlich und selbst wenn man nicht dafür belohnt wird, bleibt ein Gefühl zurück, dass es das wert ist. Morgen ist ein neuer Tag, an dem neue Geschenke warten können, wenn man gewillt ist, zu suchen. Das ist, denke ich, auch das “große” Geheimnis der berühmtesten Vertreter dieses (und auch aller anderen photographischen) Genres, die Faszination, die Liebe zu dem Thema treibt sie immer wieder an und es vergeht kaum eine Zeit, wo sie nicht mit wachem Auge, offenen Ohren und der Kamera in der Hand unterwegs sind, bei Wind und Wetter, Hitze und Kälte. Gerade in schwierigen Zeiten muss man sich seiner Geliebten beweisen, auch die Straße gewährt einem die besten Geschenke, wenn man nicht nur bei schönem Wetter und angenehmer Uhrzeit sie mal besucht. Für mich ist sie eine Art zweites Zuhause, ein Platz wo ich mich wohl fühle und gerne hingehe, wo ich einfach das Gefühl bekomme, hier bin ich richtig, hier gehöre ich gerade hin. Und dann versuche ich, ein paar der vorbeihuschenden Eindrücke einzufangen, um sie auch anderen zeigen zu können, sodass die Betrachter im Kopf ihre eigenen Geschichten zu dem mitgebrachten Moment erleben können. Wie oft mir das wirklich gelingt, ist schwer zu sagen für mich, zu subjektiv ist mein Verhältnis zu den Bildern, deswegen kann ich sie nur zeigen. Was sie jedem einzelnen geben können oder auch nicht, muss der Betrachter selbst herausfinden.
Und damit das Ganze auch entsprechend bebildert wird eine Auswahl von den Straßen Münchens, wo ich vor einer Weile für ein paar Tage war. Anfangs schwierig, ließ sich diese Geliebte mit etwas werben doch überzeugen und beschenkte mich mit dem hier: